Published on September 14th, 2017 | by einauto-admin
0Sieg in der GT-Klasse – 24 Stunden von Le Mans 1993
XJ220: „Saturday Club Car“ – im Geheimen entwickelter Supersportwagen
Die späten 1980er Jahre waren eine Blütezeit für Hochleistungs-Sportwagen. Porsche brachte den 959, Ferrari den F40 und ebenfalls in Italien entstand sogar ein neuer Bugatti. Da wollte auch Jaguar nicht zurückstecken und entwickelte unter Leitung des damaligen Chefkonstrukteurs Jim Randle den XJ220. Weil er von den Jaguar Ingenieuren in ihrer Freizeit und auf freiwilliger Basis aufgebaut wurde, lief er intern unter der Bezeichnung „Saturday Club Car“. Nach dem Vorbild früherer Projekte aus Coventry war die Ziffer im Typennamen Programm: „220“ stand für die angestrebte Höchstgeschwindigkeit von 220 Meilen pro Stunde, was rund 350 km/h entsprach.
Als Konzeptstudie zeigte Jaguar den vom südafrikanischen Designer Keith Helfet gezeichneten XJ220 auf der British Motor Show von 1988 in Birmingham. Zu diesem Zeitpunkt noch mit nach oben aufschwingenden Scherentüren („Scissors doors“) und einem gut 500 PS starken V12-Saugmotor mit 6,2 Litern Hubraum. Das direkt von den siegreichen Jaguar Gruppe C-Sportwagen abgeleitete Triebwerk schickte seine Kraft im Verhältnis 31 Prozent (vorn) und 69 Prozent (hinten) noch auf alle vier Räder.
Der in der Eifel gezeigte Wagen ist das achte Modell aus einer Serie von zehn Entwicklungsprototypen und befindet sich heute im Besitz des Jaguar Heritage Trust. Er wurde von Prinzessin Diana aus Anlass der offiziellen Eröffnung des eigens für den XJ220 errichteten Werkes in Bloxham am 1. Oktober 1991 enthüllt und später von Jaguar als Presse- und Showcar genutzt — öffentlich gezeigt wurde „Nummer acht“ auf der Tokio Motor Show am 23. Oktober 1991.
Ebenso wie im 1992 angelaufenen Serienmodell sorgte hier bereits ein mit 542 PS noch kräftigerer 3,5-Liter-V6 mit Bi-Turbo-Aufladung und Vierventil-Köpfen für mächtig Vortrieb. Zugleich hatten die Ingenieure von Jaguar Sport und Tom Walkinshaw Racing das Chassis um 25 Zentimeter gekappt und den Allrad- durch einen Heckantrieb ersetzt. Die Modifikationen drückten das Gewicht von 1.564 auf 1.350 Kilo und machten den nun „nur“ noch 4,85 Meter langen XJ220 satte 25 Zentimeter kürzer. Statt durch die Scherentüren schlängelten sich die beiden Passagiere nun durch zwei konventionelle Einstiegsöffnungen in das hautenge Cockpit.
„Ein Tyrannosaurus Rex im Reich der Eidechsen“ (ams, Heft 19/94)
Als Jaguar bekannt gab, mindestens 220 und bei entsprechender Nachfrage maximal 350 Einheiten bauen zu wollen, gingen in wenigen Tagen 1.200 Bestellungen für den, laut auto motor und sport-Tester Götz Leyrer, „Tyrannosaurus Rex im Reich der Eidechsen“ ein. Die Endmontage lief Anfang 1992 an, erste Auslieferungen folgten im Juli. Zu den Erstkunden gehörten Popstar Elton John und der Sultan von Brunei.
Zwar entsprach das Chassis des XJ220 mit seiner Aluminium-Lamellen-Bauweise dem Anspruch an einen Hochleistungs-Sportwagen, doch zugleich verströmten feine Ledersitze, hochflorige Teppiche und ein hochwertiges Soundsystem jenes Ambiente, das Kunden nur von der Raubkatzenmarke erwarteten. Eine echte Besonderheit waren auch die vier in die Fahrertür integrierten Rundanzeigen — im Armaturenbrett war schlicht kein Platz mehr für sie.
Wie schnell der XJ220 tatsächlich fuhr, testete Jaguar mit Hilfe seiner Werks-Rennfahrer auf geschlossenen Prüfgeländen. 1991 erreichte Andy Wallace auf der Firestone-Testbahn in Fort Stockton (Texas) eine 341,6 km/h. Im italienischen Nardò verbesserte Martin Brundle dann im Jahr darauf diesen Wert auf 349,4 km/h, was den XJ220 endgültig zum damals schnellsten Serienfahrzeug der Welt machte.
Zum Verkauf der angestrebten 350 Autos kam es trotz aller fraglos vorhandenen Qualitäten und des spektakulären Designs dann aber nicht. In der einsetzenden Rezession stornierten viele Kunden ihre Bestellungen, sodass zwischen 1992 und 1994 insgesamt nur 281 Exemplare des eine Million DM teuren XJ220 das Werk verließen. Umso begehrter ist dieser einst schnellste Serienwagen der Welt bis heute bei passionierten Sammlern.
Sieg in der GT-Klasse bei den 24 Stunden von Le Mans 1993
Zu Rennsportruhm kam der XJ220 dann noch bei den 24 Stunden von Le Mans des Jahres 1993: Unter Bewerbung von TWR traten drei XJ220 C (C für Competition) in der GT-Klasse gegen Porsche, Lotus, Ferrari und Venturi an. Die in der IMSA-Kategorie genannten Autos zeigten sich gegenüber der Serienversion vor allem aerodynamisch stark verbessert und trugen anstelle der Aluminium-Karosserie eine Hülle aus superleichtem Kohlefaser-Verbundmaterial. Die Motorleistung blieb als Folge von zwei dem Reglement geschuldeten Luftmengengrenzern jedoch auf etwa 550 PS beschränkt. Nach 24 Stunden gingen David Coulthard, John Nielsen und David Brabham als Sieger der Klasse durchs Ziel, nur um kurze Zeit später disqualifiziert zu werden. Ob die XJ220 nun tatsächlich, wie vom veranstaltenden ACO gefordert, mit Katalysatoren hätten fahren müssen oder nicht, bleibt bis heute ein Streitpunkt. Die Pokale zumindest wollten die Franzosen nie zurückhaben.
XKSS: Continuation Car-Programm des ersten Supersportwagens der Welt
Der am Nürburgring ausgestellte Jaguar XKSS darf als spiritueller Vorläufer des XJ220 gelten. Nach den Le Mans-Siegen von 1955, 1956 und 1957 sowie dem Rückzug des Werkes aus dem Motorsport hatte Jaguar Chef Sir William Lyons am 14. Januar 1957 entschieden, 25 verbliebene D-Type Monocoques zum weltweit ersten Supersportwagen umzubauen. Der mit seinem 3,4 Liter großen Reihensechszylinder 230 km/h schnelle und nur 920 Kilo schwere XKSS war primär für den US-Export bestimmt, doch nur 16 Autos wurden vor Ausbruch des großen Feuers vom Februar 1957 fertig.
Die für die Straßenzulassung durchgeführten Änderungen umfassten im Vergleich zum Genspender D-Type eine höher gezogene Windschutzscheibe mit massivem Chromrahmen, Seitenscheiben, eine zweite Tür auf der Beifahrerseite, vordere und hintere Stoßstangen, geänderte Scheinwerfer und Rückleuchten sowie die Demontage der Trennstrebe zwischen Fahrer und (imaginärem) Beifahrer sowie der ikonischen Heckflosse. Ein Stoffdach bot rudimentären Schutz vor Wind und Regen, statt eines Kofferraums gab es nur einen Gepäckträger, und eine Sitzverstellung fehlte völlig. Ins Auto gelangte man über empfindlich hohe Seitenschweller.
Beim Oldtimer Grand Prix zu bestaunen ist der Vorläufer („Car Zero“), einer Serie von neun Kundenfahrzeugen des XKSS, die noch im Laufe des Jahres an eine weltweite Kundschaft ausgeliefert werden. Die nach Originalplänen neu geborenen XKSS schließen nun diesen „missing link“ in der Markenhistorie, sprich die nach dem Feuer im Werk Browns Lane nicht mehr fertiggestellten neun Chassis.
Die von Jaguar Classic beim Nachbau von sechs originalgetreuen E-Type Lightweight 2014/2015 gesammelten Erfahrungswerte fließen dabei auch in die mit fortlaufenden Fahrgestellnummern versehenen XKSS ein.
10.000 Stunden Handarbeit fließen in jeden „neuen“ XKSS
Anders als bei den Reborn-Programmen von Jaguar und Land Rover handelt es sich bei „Continuation Cars“ wie den neun XKSS um von Grund auf neu und in rund 10.000 Stunden per Hand aufgebaute Modelle historischer Markenikonen. Anhand des im Werksbesitz bleibenden Vorläufers der Neuner-Serie des XKSS können Besucher des Oldtimer Grand Prixs en detail die hohe Fertigungsgüte dieser wunderschönen Nachbauten bewundern.
Wie anno 1957 besteht auch die Karosserie der „neuen” XKSS aus einer Magnesium-Legierung. Die Original-Holzformen, über die die Bleche per Hand in Form geklopft werden, rekonstruierte Jaguar Classic mithilfe von Karosserien aus den 1950er-Jahren. Die Rahmen werden auf Originalbasis computergestützt nachkonstruiert und die Bestandteile werden getreu des für das Original angewendeten Schweißverfahrens mit Bronze zusammengefügt. Ebenfalls authentisch sind die Dunlop-Scheibenbremsen an allen vier Rädern und die auf genieteten zweiteiligen Felgen aus einer Magnesium/Aluminium-Legierung aufgezogenen Dunlop-Pneus. Auch im Interieur ist vom Holzlenkrad über die Narbung der Ledersitze bis zu den Smiths-Rundinstrumenten alles so wie vor 60 Jahren. Text/Bild Jaguar Press